06.05.2011 - 03.10.2011
Ein Stoff für alle Fälle - Kunststoffdesign im 20. Jahrhundert
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen zunehmend neue Materialien, ohne die unser industrieller Fortschritt nicht möglich gewesen wäre. Ob Bakelit oder Resopal, Plexiglas oder Nylon gewählt wurde - schon früh haben die nahezu unerschöpflichen, sich bis heute ständig erweiternden Möglichkeiten dieser vielfältigen Materialien die Gestalter unserer Alltagskultur herausgefordert und ihnen ungeahnte Freiräume eröffnet. Im Bereich der Technik und der Kommunikation ist unser Leben ohne Kunststoffe undenkbar geworden, und spätestens seit den 1950er Jahren wurde und wird unsere Wohn- und Arbeitswelt durch sie geprägt.
Kein Wunder also, dass der Gang durch die Geschichte des Kunststoffdesigns im Bremer Wilhelm Wagenfeld Haus einer spannenden Zeitreise gleicht, bei der wir viele alte Bekannte wieder treffen. Aber wer erinnert sich noch an die Anfänge, als Zelluloid zur Imitation kostbarer Schmuckstücke, Toilettenartikel oder Schreibgeräte aus Elfenbein, Horn oder Schildpatt eingesetzt wurde? Oder an die vielfältigen Gegenstände von hohem ästhetischem Reiz, mit denen bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts neuartige Farbeffekte und die erstaunliche Formbarkeit der ständig verbesserten Materialien erprobt wurden?
Seit ca. 1930 experimentierten professionelle Designer mit Kunststoffen und setzten sie nicht nur für leichtes Haushaltsgeschirr ein, sondern vor allem bei der Gestaltung der neuen Geräte und Apparate, die den Alltag zunehmend beeinflussten - für Leuchten und Kameras, für Telefone, Lautsprecher, Radios und Plattenspieler. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt: So konnte ein Radio in den 1930er Jahren wie ein Wolkenkratzer oder eine Kühlerhaube aussehen, in den 1960er Jahren wie ein Sputnik oder eine Raumkapsel. Hier zeigt sich mit aller Deutlichkeit, dass unsere Alltagskultur immer ein Spiegel der jeweiligen Gegenwart mit ihren Ereignissen, unseren Wünschen und Träumen ist.
Etwa ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Kunststoffe für nahezu jeden Gebrauchsgegenstand eingesetzt. Zunehmend sahen auch die Käufer in diesen Materialien ein Symbol für den Aufbruch in eine neue Produktkultur.
Den Einzug in unsere Wohnwelten dokumentiert eine gezielte Auswahl charakteristischer Klassiker und Ikonen des Möbeldesigns von den späten 1940er Jahren bis heute, die bei vielen Besuchern Erinnerungen wachrufen werden. So sind besonders die Möbel der Pop-Ära für den Innen- wie für den Außenraum mit ihren spielerischen Formen und klaren, leuchtenden Oberflächen zum Inbegriff einer Jugendkultur geworden, die die traditionellen Funktionen und Gewohnheiten infrage stellte.
Die Namensliste der in der Ausstellung vertretenen Gestalter liest sich wie ein „who is who" der Designgeschichte; sie reicht von Friedrich Adler bis Wilhelm Wagenfeld, dessen Leistungen auf dem Gebiet der Kunststoffgestaltung erstmals umfassend gezeigt werden.
Ausstellungskonzept: Beate Manske und Dr. Günter Lattermann
Ausstellungskurator: Dr. Günter Lattermann
Walter Gropius (Brief an Wagenfeld vom 14.04.1965), Direktor des Bauhauses 1919 - 1928